01.04.16
01.04.16

Rezension in Mitteilung des Vereins für die Geschichte Berlins

Frühe Spielwelten

Rezension zu Thomas Stauss (2015): Frühe Spielwelten. Zur Belehrung und Unterhaltung. Die Spielwarenkataloge von Peter Friedrich Catel (1747-1791) und Georg Hieronimus Bestelmeier (1764-1829), LIBRUM P&E, Hochwald:

Bereits das äußere Erscheinungsbild des Buches über die Spielzeug-Kultur des ausgehenden 18. Jahrhunderts und den Berliner Spielwarenpionier P. F. Catel ist beeindruckend. Das in 4° -Format ge­bundene, 446 Seiten umfassende Werk bringt 2600 Gramm auf die Waage und deutet schon auf dem Titelblatt an, welche Bildqualität den Leser erwartet. Die hochwertige Gestaltung wurde nicht zuletzt durch die Unterstützung von mehreren Stiftungen ermöglicht. Thomas Stauss, Diplom-Geograf, und heute als technischer Redakteur und Texter tätig, begann bereits 2007 mit seinen Forschungen, die nun zur Publikation führten. Das mit ausführlichen Quellenangaben versehene ßuch enthält ein Vorwort des Direktors des renommierten Schweizer Spielzeugmuseums Dr. Ulrich Schädler. Dieser attestiert dem Verfasser eine „bewundernswerte Akribie” und erläutert, dass die Arbeit eine „Querverbindung zwischen Aufklärung, Pädagogik, Wissenschaftsgeschichte und der Spielzeugindustrie” darstellt. Im ersten Kapitel „Die Zeit war reif – Das Jahrhundert der Pädagogik und des Spiels” geht Stauss auf die gesellschaftlichen Veränderungen des ausgehenden 18. Jahrhunderts ein und die daraus resultierenden Neuerungen im Bereich der Spielwaren. Die beiden Folgekapitel wurden den beiden Unternehmern Peter Friedrich Catel aus Berlin und dem Nürnberger Georg Hieronimus Bestelmeier gewidmet, die beide als Erfinder des Versandkatalogs gelten. Catel, der selbst ein begnadeter Feinmechaniker und Spielzeugerfinder war, erstellte 1790 den wohl weltweit ersten illustrierten Spielwarenkatalog mit der Bezeichnung „Mathematisches und physikalisches Kunst-Cabinet”. Da er ein Jahr später starb, konnte das Berliner Erfolgsmodell nicht fortgesetzt werden. Der Nürnberger Händler Bestelmeier gab 1793 erstmals ein „Pädagogisches Magazin zur lehrreichen und angenehmen Unterhaltung für die Jugend” heraus, das laut Stauss von Catels Katalog inspiriert wurde. Bis 1805 folgten noch unzählige weitere Kataloghefte Bestelmeiers sowie eine Präsenz auf Messen und in Zeitschriften, weshalb Bestelmeier bislang als Pionier des Spielzeugversandhandels in die Geschichte einging. Beide Katalog-Titel zei­gen deutlich, welche Zielsetzung dem Spielzeug der Aufklärung zugedacht war: Es sollte Bilden, (Be-) Lehren und Unterhalten – im Optimalfall mit naturwissenschaftlichen und physikalischen Effekten. Diese fundamentale Veränderung des Spielzeugs wird in den Kapiteln 4 (,,Spielerische Wissenschaft – Wissenschaft im Spiel”) und 5 (,,Physikalische Belustigungen von Nürnberger Mechanikern – Zum Scherz und Zeitvertreib”) dargestellt. Den Abschluss des schon fast epochalen Werks stellt der „Bildkatalog Spiele und Spielzeug” dar. Hier sind 63 Spiele und Spielzeuge aus den Versandheften von Catel und Bestelmeier sowohl im Original als auch aus dem zeitgenössischen Katalog bildlich dargestellt und detailliert beschrieben. Darunter befinden sich 20 Artikel aus den Catel’schen Katalogen. Das Buch spricht mehrere Zielgruppen an, vor allem wohl Antiquare, Spielzeug-Enthusiasten sowie Wirtschafts­und Sozialhistoriker. Für Berlin-Historiker ist die Lebensgeschichte Catels (Kapitel 2) interessant sowie die Tatsache, dass Berlin die Geburtsstadt des Marketinginstruments ,,Versandkatalog” ist. Aufbauend auf dem Buch sind weitere lokalhistorische Forschungen wünschenswert. Zum Lebenslauf von Catel siehe auch unsere Vereinswebseite: http://www.diegeschichteberlins.de/geschichteberlins/persoenlich keiten/persoenlichkeiteag/834-catel-peter-friedrich.html
Norman Rönz

[ssba]

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