Lopper – überquert – umrundet – umkämpft

von Marion Sauter

Ein fast in Vergessenheit geratener Pass, der Rengg, eine Landstrasse, die Eisenbahn, ein Autobahnknotenpunkt sowie fünf Brückengenerationen erschliessen den Lopper, eine Felsnase südlich von Luzern. Der Renggpass verbindet die Kantone Nid- und Obwalden und spielte in der Geschichte mehrfach eine wichtige Rolle bei militärischen Bedrohungsszenarien, zuletzt im Réduit und im Kalten Krieg.

Es sollte ein Buch über den beschaulichen Renggpass werden, einem Nadelöhr auf der Gotthardroute. Die Renggpassquerung (885 m ü.M.) ist ein Teilstück des historischen Saumpfads am westlichen Ufer des Vierwaldstättersees, die über Jahrhunderte eine Alternative zu den kostspieligen Schiffspassagen darstellte. Der Renggpass gewährleistete den Luzernern aber auch die Verbindung in Richtung Brünig und ins Berner Oberland. Die wissenschaftliche Ausgangslage in der Frühgeschichte ist ausserordentlich reich: Unweit des Loppers liegen die Pfahlbausiedlung Kehrsiten NW und die Römervilla Alpnach OW. Der Lopper selbst war spätestens seit der Jungsteinzeit Zeit temporär besiedelt. In der jüngeren Vergangenheit verlieren sich die Spuren. Daher rückten die Nachfolgeprojekte der Renggpassquerung weitab der Passhöhe in den Vordergrund: Das Renggpassbuch wurde zum Lopperbuch.

Die Landstrasse wurde 1860 gebaut. Es fanden sich keinerlei Hinweise auf Pläne zur Erschliessung des Renggpasses, obwohl dies technisch problemlos möglich gewesen wäre und zahlreiche Hofstätten erschlossen hätte. Die neue Strasse umrundete stattdessen die unwirtliche, nicht besiedelte Lopper-
Felsnase. Eine Zugbrücke erschloss Stansstad NW und gewährte gleichzeitig die Durchfahrt für die Dampfschiffe, die Touristinnen und Touristen zur Pilatusbahn nach Alpnachstad OW brachten.

Aus der Pionierphase der Eisenbahn lassen sich für den Lopper mehrere Projekte fassen, die über den Brünig in Richtung Grimsel- und Griesspass weiter nach Italien führten. Die Eröffnung der Brünigbahn erfolgte in den Jahren 1888/89, die Anbindung Nidwaldens an das Schweizer Schienennetz jedoch erst
1964 – spät und heute kaum mehr vorstellbar. Im Jahr 1964 konnte die Autobahn A1 bis Stansstad NW eröffnet werden. Nach dem Eisenbahntunnel
von 1888 führten nun zwei weitere Röhren durch den Lopper. Der Streckenabschnitt bzw. die Loppertunnel gehörten zu den Pionierbauten des 1960 in Kraft getretenen Schweizer Autobahnprogramms. Der Kanton Obwalden erreichte, dass die Brünigstrasse nachträglich in das zukunftsweisende Bauprogramm aufgenommen wurde. Die Verbindung von A1 und A8 am Lopper machte in den 1980er-Jahren komplizierte Kreuzungen und Schleifen sowie eine weitere Tunnelröhre durch den Lopper erforderlich. Die ersten Bauprojekte am Lopper datieren aus der Zeit der Autobahneuphorie. 1964 wurde am Acheregg NW ein Hotel mit Blick auf die Autobahn eröffnet. Wenig später forderte die Bevölkerung bereits weitreichende Lärmschutzmassnahmen, musste die Sicherheit gewährleistet werden. Dies gelang nicht immer: 2010 beschädigte ein gewaltiger Felssturz die Fahrbahnen. Um den Verkehr aufrecht halten zu können, wurde die bislang längste Pontonbrücke Europas auf dem Vierwaldstättersee errichtet. Von den beschaulichen Anfängen zu zahlreichen Infrastruktur-Superlativen: Die Lopper bildet auf engstem Raum nahezu alle Aspekte der Schweizer Verkehrsgeschichte ab.

Initiiert hat das Buchprojekt Oberst a.D. Bruno Bommeli aus Alpnach, der zuletzt die Restaurierung der Truppenkennzeichen am Lopper in die Wege geleitet hat und die Autorin für die Schweizer Militärgeschichte begeistern konnte. In mehreren Exkursen werden im Lopperbuch abschliessend die mittelalterlichen Befestigungsanlagen am Lopper, die Auseinandersetzungen während der Helvetik sowie die Baumassnahmen des Réduits und des Kalten Kriegs vorgestellt: Letztere fokussierten im Ernstfall die Zerstörung der Landstrasse von 1860 bzw. der Autobahnbrücke von 1964. Zurück zum Anfang: Dann wäre der beschauliche Renggpass wieder die einzige Landverbindung zwischen Nid- und Obwalden gewesen …

Das Lopperbuch ist mit Karten, Plänen und historischen Fotografien reich illustriert. Der Fotograf FX Brun dokumentierte die Gegenwart. Der Geologe Peter Spillmann lieferte einen Textbeitrag, der die Ausgangssituation für Bauarbeiten im Felsmassiv erläutert.

Marion Sauter ist Professorin für Kulturtheorie an der Berner Fachhochschule und Dozentin für Architekturgeschichte an der Hochschule Luzern. Die profunde Kennerin der Innerschweiz hat mit dem Renggpass- bzw. dem Lopperbuch ihre dritte verkehrshistorische Arbeit vorgelegt.

 

Details

Autor/en Marion Sauter
Format: 21 x 24 cm
Verlagsort Basel, Frankfurt a. M.
Jahr: 2020
Sprache/n Deutsch
Gewicht 500
Preis (CHF) 45.00 CHF
Preis (EUR) 45.00 EUR
ISBN: 978-3-906897-52-3