21.11.19
21.11.19

Cultural Spaces and Design – Prospects of Design Education

Eine neue Publikation bei LIBRUM P&E von Regine Halter und Catherine Walthard/Hyperwerk Basel

Die Publikation Cultural Spaces and Design – Prospects of Design Education stellt die Designausbildung in die Perspektive globaler Entwicklungen. Sie ist das Ergebnis einer seit mehreren Jahren von den Herausgeberinnen in der Arbeit mit Studierenden geführten Auseinandersetzung zu diesem Thema. Diese verdichtete sich in einem gleichnamigen Forschungsprojekt, das von 2014–2017 an der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW in Basel durchgeführt und von der Gebert Rüf Stiftung gefördert wurde.

Die Publikation ist keine Wiederholung des Forschungsprojekts, sondern setzt den damit begonnenen Probelauf einer den globalen Dynamiken Rechnung tragenden Designausbildung fort. Es werden thematisch unterschiedlich ausgerichtete Designaktivitäten entfaltet, die das Verhältnis der Gestaltenden, der Designsubjekte zu ihrem Gegenstand ins Blickfeld rücken und damit Ausgangspunkte für weiterführende Diskussionen bereitstellen.

In der internationalen Zusammenarbeit mit Dozierenden und Studierenden anderer Hochschulen sowie mit Vertreter*innen aus der Designpraxis wurden bereits in der Forschungsarbeit neue Ausbildungsinhalte, Formen und Formate, Werkzeuge und Methoden für die Arbeit mit und in anderen Designkulturen diskutiert und entwickelt.

Die Beiträge der daran beteiligten Autor*innen aus Botswana, Indien, Australien und der Schweiz wurden für die Publikation erweitert um Projekte, Case Studies, Analysen und Erfahrungsberichte aus Neuseeland, Kanada, Frankreich, Nigeria, dem Südsudan, den USA, Usbekistan, Neuseeland, Polen, Albanien und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Sie bewegen sich unter anderem in den Bereichen Architektur und Urbanismus, Mode, Textilgestaltung, Bildende Kunst, Prozessgestaltung und  Industriedesign. In praktischen Beispielen und theoretischen Konzepten werden die Dimensionen einer Designausbildung zur Diskussion gestellt, welche sich selbst als Teil der Globalisierung begreift.

Ausgangslage

Die aktuellen ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Probleme sind Teil und Ausdruck globaler Prozesse. Gewohnte Denk- und Handlungsansätze, auf denen auch die gängige Designausbildung beruht, sind jedoch nicht in der Lage, nachhaltige Lösungsprozesse zu gestalten. Dabei mangelt es weder an qualifizierter Ursachenforschung noch an globalen Netzen, um deren Erkenntnisse zu kommunizieren. Es fehlen jedoch Konzepte, Methoden und Praktiken, die gestalterisches Handeln in eine globale Dimension stellen.

An diesem Punkt setzt die Publikation Cultural Spaces and Design – Prospects of Design Education an. Sie stellt Möglichkeiten und Wege vor, die einer Leerstelle in der Designausbildung entgegenwirken können. Diese Leerstelle ist die Verbindung von Globalisierung und Design, denn die globalen Bewegungen unserer Zeit scheinen die Designausbildung selbst überhaupt nicht zu bewegen. Ebenso wenig hat die Designdisziplin bisher kaum Kriterien entwickelt, die – über ein verkürztes Verständnis von Design als Objektdesign hinaus – der globalen Ausdehnung ihres Aktionsrahmens kritisch und praktisch  Rechnung tragen.

Die vorgestellten Beiträge brechen das Verständnis von Globalisierung als ein nicht zu beeinflussendes Geschehen auf. Es geht also nicht um die Auswirkung der Globalisierung auf das Design im Sinne der Designgestalt, sondern um die Frage, wie Design in Prozesse der Globaliserung eingreifen kann, wie die Fähigkeiten dazu in der Ausbildung erlernt und erprobt werden und vor allem, welches diese Fähigkeiten sein können. Es geht darum, Globalisierung selbst als eine Designaufgabe zu verstehen und dieses Verständnis theoretisch wie praktisch in die Ausbildung zu integrieren.

Perspektiven einer Ausbildung

Angesichts der globalen Entwicklungen und Problemlagen erweist sich die Arbeit an neuen Formen der Zusammenarbeit als dringend notwendig. Zwar ist die Arbeit in internationalen Teams heute Tagesgeschäft und auch für Studierende kein Novum. Es

geht jedoch um sehr viel mehr als um den Erwerb sprachlicher oder organisatorischer Fähigkeiten oder um die Berücksichtigung soziokultureller Besonderheiten im Umgang miteinander – so wichtig diese Kenntnisse auch sind.

Die Nivellierung kulturellen Eigensinns, nicht zuletzt auf gestalterischer Ebene,  erfordert die Entwicklung von Kriterien für eine gestalterische Praxis, die der Förderung kultureller Vielfalt dient, nicht der doctrine d’unité eines Global Design.

Für die mit der Publikation vorgeschlagene Ausbildungspraxis ist die Ortsveränderung der Studierenden während ihres Studiums deshalb wesentlich. Anstelle einer Ideologie der global happy family zu folgen geht es für sie darum, differenzierte Formen der Wahrnehmung zu entwickeln.

Wichtige Erkenntnisse dazu sind nur durch den Aufenthalt vor Ort und in der Zusammenarbeit mit lokalen Kräften möglich, sei dies – wie sich auch im Forschungsprojekt deutlich zeigte – die konkrete und gestaltungsrelevante Einsicht in die Bedeutung von Ressourcen; das Verständnis anderer Produktions-, Gebrauchs- und Verstehenskulturen; das Begreifen der realen, faktischen Anforderungen an kooperative Zusammenarbeit; die Erkenntnis schliesslich, was lokales Handeln jeweils konkret impliziert.

Design, das mit dem Medienphilosophen Vilém Flusser als kommunikatives Handeln bezeichnet wird, ist immer eine kulturelle Praxis, die nicht aus ihren jeweiligen Kontexten herausgelöst verstanden werden kann. Designkultur wiederum ist die Schnittstelle je konkreter Bedingungen, expliziter Traditionen, latent wirksamer Residualformen des tacit knowledge, spezifischer Bedürfnisse und Gebrauchskontexte, kultureller Bindungen und deren dynamische Veränderungen in hybriden, global beeinflussten Gesellschaften. Die lokale Ebene ist der tatsächliche hot spot der Globalisierung.

Die an nahezu jeder Hochschule üblichen, von Zeit zu Zeit stattfindenden mehrtägigen Exkursionen reichen nicht aus, diese Dimensionen kultureller Differenz in der gemeinsamen Arbeit zu erforschen, sind darauf überhaupt nicht ausgerichtet.

Ähnlich verhält es sich mit den durchaus gängigen Auslandssemestern. Ihr Stellenwert bleibt der einer autobiografischen Besonderheit. Die damit verbundenen Arbeitserfahrungen, die Verschiebung gestalterischer Perspektiven werden weder als ein Teil des Studiums reflexiv aufgearbeitet noch werden die Ergebnisse dieser Reflexion über die individuelle Ebene hinaus für die Ausbildung fruchtbar gemacht.

Um die Designausbildung zu einer Schule der Wahrnehmung kultureller Unterschiede werden zu lassen, sollen Auslandsaufenthalte von Studierenden als Arbeitserfahrung dokumentiert werden. Der Blick richtet sich dabei auf das Besondere und Abweichende, auf die Differenz zum eingeübten gestalterischen Kanon, auf die Designkulturen vor Ort. Gefragt wird nach den Verlusten, der Verdrängung, der Einebnung kulturellen Eigensinns und vor allem danach, welche Veränderungen das Selbstverständnis als Gestalter*innen dabei durchlaufen hat.

Die Arbeit an der Dokumentation, die im vorgestellten Ausbildungskonzept als reflexives Instrument eine wichtige Rolle spielt, wird durch das Tool The Designer’s Travel Kit, einem kleinformatigen Vademecum, vorbereitet. Darin formulieren die Studierenden ihre Erwartungen an den Auslandsaufenthalt, an die damit verbundenen Zielvorstellungen, dokumentieren den Verlauf der gemeinsamen Arbeit, notieren Veränderungen ihrer ursprünglichen Absichten, reflektieren die Hintergründe dieser Veränderungen etc.

Das ergänzend dazu entwickelte digitale Format Travelogue kann zudem von Dozierenden für die Betreuung von Studierenden über grosse geografische Distanzen hinweg und auch als Kommunikationsplattform für Studierende und Dozierende verschiedener Hochschulen genutzt werden.

Beispiele, Analysen und Konzepte, die sich in diesen Komplex einordnen lassen, sind in den Kapiteln Experiencing the Foreign, Reflecting the Foreign und Projects abroad dargestellt, wobei eine Vielzahl der Beiträge von Studierenden selbst stammt. Hierbei handelt es sich um Auszüge, die sich mit den Wahrnehmungen, Fragen und auch mit kritischen Kommentaren zu den gemachten Erfahrungen befassen. Die Medien dieser Darstellungen sind unterschiedlich, also nicht nur auf die Sprache begrenzt.

Im Teil Realisations werden unter anderem Projektkooperationen vorgestellt, die über grosse räumliche Distanzen und über einen längeren Zeitraum hinweg mit Hochschulen in Canada (Concordia University, Montreal) und New Zealand (AUT University, Auckland) stattfanden. Sie können auch als eine mögliche Praxis der Ausbildung gelesen werden.

Im letzten Kapitel dieser Publikation – Redesigning Design Education – werden  einige der entwickelten Ausbildungsformate aufgezeigt und diskutiert.

Die Anordnung der einzelnen Themenfelder oder Kapitel sowie die darin enthaltenen Beiträge nehmen immer wieder unterschiedliche Perspektiven ein. Damit folgt die Publikation einer Dramaturgie, die Édouard Glissant mit der Archipelisierung des Denkens entwirft, nämlich »…die Fähigkeit, die Insel zu sehen und sich zugleich ihrer Verbindung zu etwas wesentlich Größerem bewusst zu sein, der Beziehung zu einer Gruppe von Inseln, als Bindeglied zu einem Archipel

Die Kapitel in der Publikation Cultural Spaces and Design – Prospects of Design Education funktionieren gewissermassen wie solche Inseln, die jeweils bestimmte Handlungsebenen repräsentieren, sich an bestimmten Kontexten orientieren, die Beziehungen zu den verschiedenen Lebenswelten und deren kulturelle Implikationen immer wieder neu thematisieren, insgesamt aber Beiträge zum grösseren Ganzen einer veränderten Designausbildung sind.

Im Fokus der Publikation steht somit nicht die Verifikation oder Falsifikation von theoretischen Annahmen, nicht das umstandslose Fortschreiben eines mehr oder weniger etablierten kulturtheoretischen Metadiskurses. Stattdessen folgt sie der besonderen Eigenschaft von Design, entwerferisches Handeln zu sein und daher immer auch ein besonderer Ort der Diskussion zivilisatorischer Fragen, die heute nicht ohne den Kontext der Globalisierung verstanden werden können.

Für solche Fragen in der Designausbildung Räume zu schaffen, in denen sich gestalterische Neugier auch jenseits gewohnter, erlaubter, sozusagen akkreditierter Themen und Strukturen entfalten kann, ist der Anspruch von Cultural Spaces and Design – Prospects of Design Education.

http://culturalspacesanddesign.net

 

Publiziert auf dem «Goldenen» Open Access Weg

Diese Publikation ist als Printausgabe erschienen und kann gleichzeitig Open Access kostenlos genutzt werden (10.19218/3906897318). Damit unterstützen Autoren und Verlag den internationalen wissenschaftlichen Diskurs und die Forderung universitärer Einrichtungen nach freiem Zugang zu wissenschaftlicher Literatur. Die Publikation ist mit einer Creative Commons Attribution 4.0 International License geschützt.

 

Ein Buch für Lehrende und Studierende

der Fachbereiche Design, Graphik, bildnerisches Gestalten.

Erhältlich im Buchhandel oder direkt beim Verlagswebshop www.librumstore.com

 

Bibliophile Informationen:

Format: 16.5 × 24 × 3 cm

Anz. Seiten/Bindung: 332, Klappenbroschur

Anz. Abbildungen: 180

Sprache: Englisch

Buchhandelspreis: € 45.—/CHF 45.—

ISBN: 978-3-906897-31-8

DOI:10.19218/3906897318

[ssba]

Hinterlasse eine Antwort